Bedürfnisorientiertes Arbeiten – Eine Revolution der Arbeitswelt?

Ein Arbeitsort nach deinen Bedürfnissen – was bedeutet das überhaupt?

Ich rede soviel davon, habe aber gemerkt: es gibt Klärungsbedarf.

Deshalb steigen wir hier einmal genauer in das Thema ein (am Ende ist es ein kleines Manifest mit Aufruf zur Revolution geworden. Ups!)

Den Begriff “bedürfnisorientiertes Arbeiten” bezogen auf die (Büro)Arbeitswelt gibt's übrigens so (noch) nicht.

Hab ich mir ausgedacht.

Der Begriff “bedürfnisorientiert” bezieht sich meines Wissens nach bisher hauptsächlich auf den Pädagogik-Bereich und die Arbeit mit Kindern.

Aber würde es nicht Sinn machen, auch auf unsere erwachsenen Bedürfnisse innerhalb der Arbeitswelt einzugehen? (Kurzer Hinweis: ich spreche hier von unserer, im Vergleich zu anderen Ländern, immer noch recht privilegierten westlichen Arbeitswelt.)

Let’s do this.

Zunächst einmal:

Woher weiß ich überhaupt, was meine spezifischen Bedürfnisse an einen Arbeitsplatz sind?

Glaub mir: dieses Wissen ist in dir. Das klingt erst einmal nach einer unbefriedigenden Antwort, aber es ist so.

Wie kann ich dieses Wissen nun anzapfen?

Indem du deinen Verstand ausschaltest und anfängst sehr genau hinzuhören und hinzufühlen was deine Emotionen und dein Körper dir sagen.

Und das ohne gleich wieder mit deinem Verstand drüberzubügeln à la “Stell dich nicht so an”, “aber das macht man nun mal so”.

Das gilt auch für deine räumlichen Bedürfnisse.

Im Bereich der Arbeitswelten (auch wenn wir mittlerweile mit New Work schon auf einem anderen Weg sind), betrachten wir Räume oft immer noch sehr nüchtern, rein nach ihrer späteren Funktion.

Ich muss sagen, dass das immerhin schon ein Fortschritt ist.

Früher wurde einfach geguckt: Wieviel Arbeitsplätze kriegen wir auf dieser Fläche "unter"?

Wo passt dies und jenes noch rein, wie können wir eine Fläche möglichst effizient ausnutzen.

Auch der Effizienz-Gedanke ist erst einmal nicht völlig daneben.
Die Frage ist nur: Zahlt es sich am Ende wirklich aus?

Kriegen wir mehr “geschafft”, wenn wir mehr Leute auf kleinerem Raum sind?

Oder wird da nicht doch mal eher jemand (auch langfristig) krank? Eine Person, die sich dann als Loser fühlt, weil sie den Bedingungen nicht gewachsen war?

Nochmal zur Funktion eines Raumes:
Der Ansatz “form follows function” ergibt aus Sicht der Raumplanung erst einmal Sinn.

Ein Unternehmen oder auch ein Team sollte sich zuerst sehr klar darüber werden, was mögliche Tätigkeiten sind, die immer wieder auftauchen und wie man diese dann logisch räumlich verorten kann.

Das können zum Beispiel kurze Teammeetings im Stehen sein, konzentrierte Schreibtischarbeit, Verhandlungsgespräche (die gern auch mal länger dauern), kreative Brainstorm-Runden, hybride Veranstaltungen (wie die Präsentation von Team xyz, an der sowohl für die Kollegen vor Ort als auch die Projektpartnerinnen in Dänemark virtuell teilnehmen sollen).

Das Problem an dieser Herangehensweise (also nur nach Platz und Funktion vorzugehen) ist aber, dass oft auf Dauer doch Probleme auftauchen.

Warum?

Weil es 1. keine Test- und Experimentierphase gab und es gleich in die finale Umsetzung der Räumlichkeiten geht und
2. weil dies den wichtigsten Faktor überhaupt nicht berücksichtigt:

Den einzelnen Menschen.

Ein Team kann sich zwar auf eine bestimmte Raum-Situation einigen, bleibt dann aber oft auch nur in der Aufgaben- und Funktionslogik hängen (“Wir machen jeden morgen ein Daily Stand up-Meeting, deshalb brauchen wir diesen Stehtisch. Der würde vom Platz her an diese Wand passen.” usw.)

Also:

Was ist mit der Einzelperson, die schon so viel mitbringt?

— Mit ihrer ganz eigenen Persönlichkeit, wie sie so tickt, welcher Energietyp sie ist?

(Wer tiefer eintauchen möchte, dem empfehle ich Human Design. Auch als Selbstentdecker-Tool gleich für das ganze Team.

Wem das zu spirituell ist: Schaut euch wenigstens das System “16 Personalities” an. Auch um euch untereinander besser zu verstehen und wahrnehmen zu können.)

— Mit Krankheiten oder Einschränkungen, die du von außen nicht wahrnimmst, die aber definitiv andere Anforderungen an Räume stellen (Stichworte Neurodiversität, versteckte Behinderungen).

Ein autistischer Mensch braucht eine andere Umgebung als jemand mit ADHS, eine hochsensible Person möglicherweise etwas anderes als jemand mit chronischen Schmerzen.

Es kann dann dringend erforderlich sein, dass der Raum gerade NICHT super-flexibel ist und ständig umgebaut wird (für die autistische Person möglicherweise der Horror), dass es die Möglichkeit der stillen, zurückgezogenen Arbeit gibt (Hochsensible), oder dass es beim Standup-Meeting auch Barhocker gibt (Person mit chronischen Schmerzen kann nicht so lange stehen).

Die Liste lässt sich unendlich weiterführen.

Man muss nur an die Frauen denken, die schwanger sind, aber es darf noch keiner wissen.

Dabei sind genau die ersten Monate oft die schlimmsten, was Übelkeit, Erschöpfung und sonstige Beschwerden angeht. Trotzdem wird den Frauen die gleiche Leistungsfähigkeit abverlangt, wie sonst auch (oder sie verlangen es von sich selbst).

Ich fordere eine Revolution in der Arbeitswelt.

Ich fordere ein konsequentes Reinspüren aller Beteiligten, die irgendwo da draußen in diesem Dschungel arbeiten.

Angestellt, selbstständig, als Führungskraft, Sachbearbeitende oder im Praktikum.

Jede einzelne Person ist ein wichtiger Teil des Systems und sollte mit ihren Bedürfnissen gehört werden.

Eine Freundin von mir hat zwei Jahre lang in einer Design-Agentur auf einem harten Holzstuhl, mit dem Rücken zur Tür gearbeitet. Tägliche Überstunden natürlich.

Sie hat sich nicht getraut etwas zu sagen, weil sie noch Berufsanfängerin war, obwohl sie unter starken Rückenschmerzen gelitten hat.

Leute, das ist einfach unmenschlich!

Ich gehe sogar so weit, dass ich sage: lasst uns nicht nur offen über versteckte Krankheiten, die verschiedenen Bedarfe von Neurodiversen und unsere Persönlichkeitstypen sprechen.

Ich sage:

Frauen, bringt eure Menstruation mit auf die Arbeit.

Wir sind 50% und die Arbeitswelt inklusive ihrer Zeiten, Präsenzpflichten, Leistungsgedanken ist immer noch für Männer gemacht, während wir uns verschämt Tampons unterm Tisch zustecken, weil ist ja geheim, dass wir Frauen sind.

Viele Frauen haben Periodenschmerzen, die Wehenstärke oder sogar die gleiche Schmerzintensität haben können, wie ein Herzinfarkt.

In einigen Ländern dürfen Menstruierende mittlerweile für die Zeit ihrer Periode Urlaub nehmen, just sayin.
(Das Thema wird insgesamt allerdings heiß diskutiert, siehe dieser Artikel).

Lasst uns diese Revolution starten:
Ein Bewusstsein für individuelle Bedürfnisse auf der Arbeit schaffen.

Und zwar ohne die innere Augenbraue hochzuziehen, weil wir eigentlich finden, jemand stelle sich nur an und wir müssten da schließlich auch durch.

Wie? In dem wir konsequent bei uns selbst anfangen.

Fühlen, was da ist.

Uns anschauen, in welcher Umgebung wir uns täglich zumuten zu arbeiten oder zu wohnen.

Was uns umgibt, Tag für Tag.

Welche Räume.

Welche Meinungen, welche Menschen.

Welche ungeliebten Dinge, oder solche, die uns ganz offensichtlich krank machen (chemische Ausdünstungen, ergonomisch verwerflich, Schimmel, Schrottlampen).

Sich selbst etwas “Besseres” zu erlauben, ist oft noch schwerer, als dies für andere zu tun.

Aber der wichtigste Schritt, wenn wir einfühlsamer zusammenarbeiten und so eine insgesamt bessere Arbeitswelt schaffen wollen.

Kommst du mit?


Tipp:
Im Kleinen kannst du zum Beispiel bei dir zuhause, in deinem Homeoffice anfangen.

Schau dir dazu meinen Selbstlern-Kurs Home2Office an. Dieser Onlinekurs ermöglicht, dir von Grund auf DEIN ideales Homeoffice ohne Kompromisse bei Gesundheit und Wohlbefinden aufzubauen.

Schritt für Schritt bis zum fertigen Büro zuhause, ganz nach deinen Bedürfnissen.

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